Unseren letzten Tag in den USA lassen wir ruhig angehen. Und typisch amerikanisch: mit einem Frühstück in einem Diner. Wir ziehen aus unserem Domizil in Kissimmee aus und werden die letzte Nacht im Holiday Inn gleich beim Flughafen verbringen. Dort können wir nämlich schon am Vorabend den Mietwagen abgeben und dann am Abreisetag mit dem Busshuttle vom Hotel zum Terminal fahren.
Für das Frühstück wählen wir das Waffle House direkt neben unserem Quartier in Kissimmee. Am Abend waren wir schon einmal dort, da war tote Hose. Ganz anders heute früh: Mit Mühe ergattern wir noch zwei Tische für uns sechs. Wir frühstücken üppig mit Eier, Speck und Waffeln mit Sirup. Am lustigsten finde ich die Sitte, die ich sonst nur aus Filmen kenne: ist die Kaffeetasse leer, wird sofort vom Personal nachgefüllt.
Danach wollen wir auch was typisch Amerikanisches machen: Shoppen. Wir haben uns ein Outlet im Internet ausgesucht. Die Reise dorthin gestaltet sich unerwartet schwierig. Wir sehen das Einkaufszentrum schon knapp zweihunder Meter entfernt, aber unser Navi kennt die umgebaute Abfahrt noch nicht und führt uns in die Irre. Eine beinahe halbstündige Odysee führt uns durch ein ärmliches Viertel, das, um das Klischee zu erfüllen, hauptsächlich von Schwarzen bewohnt ist. Was mir auffällt: Die Häuser sind alt und schäbig, aber die Autos riesig und tiptop.
An jeder zweiten Ecke steht ein Polizeiauto mit eingeschalteten roten und blauen Blinklichtern.
Wir machen einen kurzen Zwischenstopp bei einem Laden, den Andreas gerne besuchen wollte, aber noch ehe ich austgestiegen bin, ist er schon wieder da. War ein Flop. Wir fahren weiter zum Outlet, das nun tatsächlich gleich nebenan liegt.
Auf der Autobahn überholen wir ein halbes Haus.
Ich bin heute müde und spüre den kommenden Wetterumschwung im Kopf. Lukas auch. So sind wir beiden nicht groß in Shoppinglaune, fahren aber gerne mit. Das Outlet Center selbst bietet Shops mit allen großen Marken, aber sooo günstig, wie man immer hört, finde ich es hier ganz und gar nicht. Die Ausbeute bleibt deshalb gering. Wir sind ein wenig enttäuscht.
Aber der nächste Shop, den wir besuchen, entschädigt uns für alles.
„Boots“ heißt das Geschäft, und der Name ist Programm. Der Raum ist vollgestopft von oben bis unten mit Stiefeln aller Art. Uns gefallen natürlich die verzierten Cowboystiefel, wie man sie aus der Countrymusik kennt. Andreas und Lukas sind hin und weg und probieren geduldig verschiedenste Modelle. Mir hätten es braune Stiefelchen mit eingeprägtem Muster angetan, aber Doris schlägt entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. Sie rät mir eher zu braven Stiefeln, wie man sie auch in Österreich tragen kann. Aber da ich eigentlich gar keine brauche (sondern es nur um eine Art Andenken geht), verzichte ich zugunsten von Lukas und Andreas auf einen Kauf.
Zugunsten? Ja, es ist nämlich so: Der Schlager des Shops ist sein Angebot: Kauf eins, nimm drei. Kein Schmäh. Man kauft drei Paar, bezahlt nur das teuerste und kriegt die beiden anderen gratis. Will man noch ein viertes oder fünftes Paar dazu haben, kosten diese Pauschal 130 Dollar.
Der Laden boomt!
Ein junger schwarzer Verkäufer berät uns. Woher wir kommen, will er wissen. Ah… Australia. Nein, Austria, im Zentrum von Europa! Er sieht mich verträumt an: „Aber ich weiß doch, wo Austria liegt“, sagt er lächelnd. „Wie ist es dort?“ – „Kalt!“ rufen Andreas, Lukas und ich wie aus einem Mund. Ich erkläre ihm, dass es dort so ist wie in Colorado: Heiß im Sommer, Schnee im Winter. „Ah, Colorado… dort habe ich einen Freund“, säuselt er. Dann überlegt er. Man sieht die kleinen Zahnrädchen unter seinem Wuschelkopf arbeiten. „Wo ist nochmal der Grand Canyon?“ fragt er schließlich. „Arizona“, antworte ich. „Ist das dort, wo Österreich ist?“. Seine Kollegin, die beim Denken deutlich schneller ist, lacht ihn aus. „Aber Arizona ist in den USA und Austria ist in Europa“ schilt sie ihn. Verträumt sieht er sie an: „Aber das weiß ich doch…“
Lukas hat etwas gefunden. Schwere, robuste Stiefel mit genagelter Sohle. „Mit denen kann man weit gehen“, sagt er zu unserem Verkäuferfreund. „Ich geh‘ nie weit“, antwortet dieser leise.
Doris und die Mädels besuchen in der Zwischenzeit einen Schuhladen für Frauen nebenan. Sie kaufen dort zwar nichts, aber sie beobachten den Heliport gegenüber, bei dem auf einer erhöhten Plattform in rascher Abfolge Touristenflüge (nur 15 Dollar pro Person) starten und landen.
Es ist Nachmittag geworden. Wir checken geschwind im Hotel ein und fahren dann gemeinsam mit nur einem Auto nochmal weg. Es hat angefangen zu regnen. Ich bin froh, dass wir mit dem Wetter während der letzten Tage so ein Glück hatten. In den Disney Parks wäre es bei Regen trostlos gewesen. Einkaufen finde ich auch bei Sonnenschein trostlos, also stört heute der Regen nicht.
Andreas hat bei den Universal Studios (nicht zu verwechseln mit Disneys Hollywood Studios) ein gutes Lokal herausgesucht. Zuvor hat Kira noch was entdeckt: Einen Second Hand Shop für Bekleidung. Sie glaubt, dass es dort Kleidung für Männlein und Weiblein gibt, aber da hat sie Google in die Irre geführt: Das Foto dort war nur ein Symbolbild, der Laden hat nur Damenmode. Aber die kann sich wirklich sehen lassen. Es sind zum Teil echte Designerstücke dabei, aus dem Vorjahr halt, aber top in Schuss. Unsere Damen probieren viel und kaufen auch einige Stücke. Andreas ist hungrig und er drängt auf die Weiterfahrt.
Nach einer durch das Navi und eine neue Straßenkreuzung verursachten kurzen weiteren Odyssee erreichen wir unser Ziel. Die Universal Studios haben mit den Filmstudios nur den Namen und den Besitzer gemein. Man kann dort Attraktionen sehen, die mit Filmen zu tun haben. Harry Potter, der Weiße Hai, King Kong. Es wäre sicher interessant gewesen, aber für alles ist uns halt keine Zeit geblieben. Was uns sofort auffällt: dass nicht an allen Ecken jemand fröhlich winkt und nur heile Welt herrscht wie bei Disney. Das tut nach drei Tagen Zuckerguss richtig gut!
Unser gewähltes Lokal heißt Cowfish. Kuhfisch? Der Gag ist, dass es hier eine lustige Mischung aus Fleisch- und Fischgerichten gibt. So zum Beispiel Shushi aus Rindfleisch. Die vielen Autos im Parkhaus lassen uns das Schlimmste befürchten. Es kommt aber alles sehr entspannt. Ich frage den Concierge beim Eingang, ob es trotz fehlender Reservierung einen Platz für sechs gibt. Sechs? Ja, genau. Innerhalb von fünf Minuten haben wir einen Tisch. Das System ist sehr praktisch: man sagt seienen Vornamen, hinterlässt seine Handynummer und sobald der Tisch fertig ist, kriegt man eine SMS.
Andreas hat das Lokal wunderbar ausgesucht. Wir essen Specksushi und wunderbare Burger. Für Kira gibt es einen Vegetarischen. Unser neuer bester Freund heiß Jon und ist unser Kellner. Er empfiehlt uns ein paar Schmankerl und seine Emfpehlungen sind wirklich gut. Er ist auch so freundlich und macht ein Gruppenfoto von unserem letzen Abendessen in Amerika.
In der Zwischenzeit nieselt es nur noch leicht. Wir gehen noch ein paar Schritte zu Fuß ins Hard Rock Café. Kerstin sammelt die T-Shirts dieser Kette. Das Hard Rock Café ist eine Mischung aus einem Museum, in dem an den Wänden Leihgaben von Stars hängen (die Gitarre von Soundso und der Cowoyhut von Demunddem), dann ist es Restaurant und nicht zuletzt: Shop.
Die Mitarbeiter machen Halligalli. Wer hat beim Kastner schon einmal alle Verkäufer gemeinsam zu einem Song tanzen und mitsingen gesehen? Eben. Beim Hard Rock Café in Orlando ist das ganz normal. So singen Kerstin, der Verkäufer und ich lauthals bei „Sweet Caroline“ mit, wärend wir bezahlen.
Nach diesem Ausflug ist es später geworden als geplant. Wir laden unsere Damen im Hotel ab und fahren zum Flughafen, um die Autos abzugeben. Das geht erfreulich schnell. Auf dem Autobahnzubringer sehen wir immer wieder Autos mit eingeschalteter Warnblinkanlage. Komisch, Unfallspuren entdecken wir keine. Andreeas hat eine Idee: Vielleicht sind es Uber Fahrer, die auf eine Fahrt hoffen und gleich in der Nähe des Flughafens (verbotenerweise am Highway) parken.
Wir haben unsere Walkie Talkies mit. Diese (eine Idee von Luas!) erweisen sich ein weiteres Mal als sehr nützlich. Es ist schon nach 23:00 Uhr und wir möchten so schnell wie möglich ein Shuttle ins Hotel erwischen. Die fahren aber nur alle halben Stunden. So postiert sich an jedem Ende des Parkstreifens (auf dem die angefahrenen Hotels leider nicht ausgeschildert sind) einer von uns mit Funkgerät. Ein Glück, denn Andreas entdeckt eins, holt uns uns wir erwischen wirklich noch die drei letzten Plätze.
Eingepackt habe ich schon alles, jetzt will ich nur noch ins Bett. Dabei gibt es aber noch ein winziges Hindernis: Dir jungen Mädchen im Zimmer nebenan sind unüberhörbar noch nicht müde und lachen und schreien und haben Spaß. Was sollen wir tun? Ich probiere es zuerst bei der Rezeption: entweder sie bringen unsere Nachbarn dazu, leise zu sein oder sie geben uns ein neues Zimmer. Weder noch… aber der Angestellte am Telefon ist wenigstens sehr freundlich.
Als ich höre, dass jemand an die Tür nebenan klopft, springe ich kurz raus. Draußen steht ein Mädchen, vielleicht 16 Jahre und klopft lachend an die Tür des Nebenzimmers. Sie trägt einen Bikini. Die Tür geht auf und ein weiteres etwa gleihaltriges Bikinimädchen steht da. Sie ist voller Schaum. „Hey bitch“, ruft sie. Ich sage „Meine Damen, ich muss morgen um vier auf und würde gerne schlafen. Entweder sie kommen rüber in unser Zimmer und feiern Ihre Party mit uns, oder sie verhalten sich still“. Sie entscheiden sich für die Stille. Schade.
Die Nacht wird kurz. Um vier geht der Wecker.